Premiere bei bookbeaches! „Jetzt!“ von Eckhart Tolle ist das erste Buch bei uns, das keine Sterne erhält. Damit meinen wir nicht 0 Sterne, sondern einfach keine.
Warum? Weil ich das Buch gleichzeitig ganz furchtbar und ziemlich erkenntnisreich und wertvoll fand. Wie das gehen kann, erfährst du in dieser Rezension!
Eckhart Tolle hat 1997 mit „Jetzt!“ gewissenermaßen einen Ratgeber für bewusstes Leben und spirituelle Transformation herausgebracht, nachdem er selbst mit Ende 20 eine grundlegende Lebensveränderung erfahren hat.
„Es ist die Erkenntnis „Ich bin“, bevor du sagst „Ich bin dies oder ich bin das.““
Während das Buch in seinen ersten 1-2 Jahren mit einer Erstauflage von 3.000 Stück höchstens als Underground-Bestseller gefeiert wurde, explodierten die Verkäufe schlagartig, als u.a. Oprah Winfrey der Welt von diesem großartigen Werk erzählte.
Bis heute sind Tolles Bücher seitdem in 52 Sprachen übersetzt und genießen weltweit Bestseller-Status.
Worum geht es in „Jetzt!“?
„Jetzt!“ soll dir dabei helfen, zu erkennen, dass du nicht dein Verstand bist, sondern dieser nur einen kleinen Teil deines wahren Selbst, deines wahren Bewusstseins ausmacht. Dieses „spirituelle Erwachen“, das Ankommen in völligem Bewusstsein und Gegenwärtigkeit, betrachtet Eckhart Tolle als den nächsten evolutionären Schritt der Menschheit.
Um die Lesenden dorthin zu führen, wählt Tolle einen Dialog-Schreibstil für das Buch, gewissermaßen ein „Frage-Anwort-Spiel“ zwischen der 1. Stimme in dir, die er als „unecht“, also unbewusst und nicht gegenwärtig beschreibt und der antworteten 2. Stimme, die für die grundlegende Umwandlung des menschlichen Bewusstseins steht.
Bereits in der Einleitung wird die Komplexität des Themas und vor allem der verwendeten Begriffe und Formulierungen deutlich und Tolle empfiehlt von vornherein, gewisse Begriffe, z. B. „Sein“ oder „Gegenwärtigkeit“ einfach nicht zu genau zu nehmen oder zu hinterfragen. Dann würde man mit dem Verstand lesen und den sollte man ja nun gerade abschalten lernen. (Generell gilt zu erwähnen, dass das Buch stark spirituell geprägt ist und auch religiöse Vergleiche sollten dich nicht abschrecken.)
„Ich bin dieser Fremde, der dir nichts zu geben hat und der dir rät, nach innen zu schauen.“
Der erste Teil des Buches erklärt grundlegend, was Eckhart Tolle eigentlich meint, wenn er sagt, du seist nicht dein Verstand und du sollest lernen, gegenwärtig zu leben. Aus diesem Teil konnte ich die wichtigsten Learnings mitnehmen.
„Der Verstand ist ein hervorragendes Instrument, wenn er richtig benutzt wird. Bei falschem Gebrauch kann er allerdings sehr destruktiv werden. Genauer gesagt ist es nicht so, dass du deinen Verstand falsch gebrauchst - du gebrauchst ihn normalerweise überhaupt nicht. Er gebraucht dich.“
Warum ist dein Verstand eigentlich dein Feind? Und bin ich noch viel mehr, als nur das, was ich denke? Tolle zeigt, dass dein Ziel ein Zustand von „No Mind“ sein sollte, wie er es nennt: Ein Zustand, in dem dein Verstand dich nicht beherrscht, sondern du einfach nur „bist“. Im Hier und Jetzt, denn hier spielt sich dein ganzes Leben ab. Dein Verstand und dein Ego haben ein großes Interesse daran, in Vergangenheit und Zukunft zu leben, aber du sollst dich tief hinein in die Gegenwart bewegen.
„Du bist im Hier und Jetzt, während dein Verstand in der Zukunft ist. Dadurch entsteht eine Lücke, die sich mit Angst und Sorgen füllt.“
In diesem Abschnitt fand ich besonders die Differenzierung schön, zwischen „Leben“ und „Lebenssituation“ zu unterscheiden. Dein Leben ist „Jetzt“ und es ist immer vollkommen, es ist nur deine Lebenssituation, die du verändern und verbessern kannst. Dein "Leben" wird nicht besser, egal was du erreichst oder besitzt.
„Nichts, was du je tun oder erreichen könntest, wird dich näher an die Erlösung bringen, als du es genau jetzt bist.“
Im darauffolgenden mittleren Abschnitt verstärkte sich für mich der höchst spirituelle Schreibstil und Eckhart Tolle hat mich etwas verloren, sodass ich mich wirklich zwingen musste, weiterzulesen. In diesen Abschnitten spricht Tolle über Mittel und Wege, gegenwärtiger zu werden, bspw. in den inneren Körper zu gehen oder Portale zum Unmanifesten.
Spätestens als er anfing, darüber zu philosophieren an welchem Zeitpunkt des weiblichen Zyklus der eigene Schmerzkörper und die Verbindung zum Sein am stärksten ist, musste ich dann auch mal kurz ein paar Absätze überspringen..
Mein Lieblingszitat für diesen Mittelteil, das ich an vielen Stellen sehr deutlich gefühlt habe:
„Mehr kann ich darüber nicht sagen und selbst das ist ein Paradox.“
Im dritten und letzten Teil des Buches konnte er mich aber teils wieder etwas im Lesefluss halten, indem er über die Rolle von Gegenwärtigkeit und Sein in Beziehungen schreibt. Aus diesem Abschnitt konnte ich viele Aspekte mitnehmen, die meine eigenen Beziehungen sicherlich verbessern und mir helfen können, mehr Mitgefühl und Verständnis gegenüber meinen Mitmenschen aufzubringen.
„Und eines Tages, mitten in einem Streit, wirst du plötzlich feststellen, dass du eine Wahl hast. Dann wirst du vielleicht entscheiden, deine Reaktion fallenzulassen - nur um zu sehen, was passiert.“
Denn was tun, wenn du auf der Reise zu einem bewussten und gegenwärtigen Selbst bist, dein Gegenüber aber auf der Unbewusstheit mit Verstand und Ego reagiert? Ein sehr spannender Schlussteil für mich.
Unsere Bewertung:
Ihr konntet es vielleicht aus dieser Rezension herauslesen: Es gab durchaus viele Abschnitte, die mich stark beeindruckt und aus denen ich wertvolle Learnings mitnehmen konnte. Auch die vielen tollen Zitate kommen nicht von ungefähr. Das Buch ist gewiss – auf seine ganz eigene Art und Weise und für den richtigen Leser – ein Meisterwerk und Eckhart Tolles Weltsicht und sein Ziel, bewusste und gegenwärtige Menschen zu schaffen, ein schönes!
Auf der anderen Seite hat mir das Lesen gar nicht gefallen: Ich fand es sehr nervig und sehr mühselig und anstrengend, am Ball zu bleiben und war nicht ein einziges Mal wirklich motiviert oder hatte Lust, weiterzulesen. So einen schlechten Lesefluss habe ich selten erlebt und eure Rückmeldungen bestätigen, dass es nicht nur mir so ging. Für viele von euch war dieses Buch das erste, das sie nicht zu Ende gelesen haben.
Für mich also gleichzeitig ein 4-5 – aber auch ein 0-Sterne Buch, das definitiv davon profitiert, wenn man sich überdurchschnittlich viel Zeit für seine Lektüre und eigene Notizen nimmt, es mehrmals liest und sich voll und ganz auf das Geschriebene einlässt - und wenn man ein bisschen der Typ und empfänglich für diese spirituellen Gedanken ist.
Mit Sicherheit ein Buch, dass ich von 100 Menschen 99 nicht weiterempfehlen würde, aber für den einen, der es durchhält vermutlich lebensverändernd sein wird.
Für diejenigen unter euch, die das Thema zwar spannend finden, von Tolles Spiritualität und Schreibstil allerdings abgeschreckt sind: Schaut euch doch mal "In der Stille liegt dein Weg" von Ryan Holiday an. Bis heute eins meiner absoluten Lieblingsbücher! Hier geht es zu unserer Rezension!
Für alle anderen: "Jetzt" gibt es ab 14-16€ z. B. hier auf amazon.* - viel Spaß beim Lesen!
Unsere Lieblingszitate:
„Stress wird verursacht, wenn du „hier“ bist, aber „dort“ sein willst, wenn du in der Gegenwart bist, aber in der Zukunft sein willst. Das ist eine Spaltung, die dich innerlich zerreißt. Eine solche Spaltung zu schaffen und mit ihr zu leben ist verrückt. Die Tatsache, dass es jeder tut, lässt es nicht weniger verrückt sein.“
Lasst das mal auf euch wirken. Ich finde, da ist sehr viel Wahres dran. Wie so häufig: Nur weil etwas „normal“ ist und es „alle tun“, heißt das nicht, dass es für dich der beste Weg zur Erfüllung ist. Vermutlich heißt es sogar sehr häufig genau das Gegenteil …
„Sagt also das nächste Mal jemand „Entschuldige, dass ich dich habe warten lassen“, dann kannst du antworten: „Das ist in Ordnung. Ich habe nicht gewartet. ich habe hier einfach gestanden und mich wohlgefühlt.“
Einfach sein. Einfach irgendwo stehen, nicht das Handy zücken, nicht nervös und ungeduldig werden, einfach das „Jetzt“ genießen und sein. Eine Fähigkeit die, wenn ich mich an Bushaltestellen oder in Kinopausen umschaue heutzutage niemand mehr zu haben scheint.
„Wenn du über die Gegensätze hinausgegangen bist, die der Verstand erschafft, dann wirst du wie ein tiefer See. Deine äußere Lebenssituation, und was immer dort passiert, ist wie die Oberfläche des Sees - manchmal ruhig, manchmal windig und rau, entsprechend den Zeiten und Gezeiten. Doch in seiner tiefsten Tiefe bleibt der See ungestört. Du bist der gesamte See, nicht nur seine Oberfläche.“
Ein wunderschönes Bild zum Schluss, oder?
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